Was muss ein Angeordneter der Bürgerschaft können?

Verantwortungsgefühl, Leidenschaft und Augenmaß!

Am 15. Februar entscheidet die Bevölkerung Hamburgs über die Zusammensetzung ihrer Bürgerschaft und damit im Ergebnis über die Zusammensetzung des Senats bis zum Jahr 2020. Der Einfluss jedes einzelnen Wählers und jeder einzelnen Wählerin auf die Zusammensetzung dieser neuen Bürgerschaft war noch niemals so groß wie heute. Das neue Wahlrecht verschafft jeder einzelnen Stimme eine enorme Bedeutung bei der Frage, welche Männer und Frauen in der zukünftigen Bürgerschaft sitzen und damit Hamburg für 5 Jahre repräsentieren sollen.

Zwar war dieses Wahlrecht bereits 2011 für die Wahl zur Bürgerschaft maßgeblich, aber erst nach dieser Erfahrung ist erkennbar geworden, dass bereits einige Hundert Personen auf die personelle Zusammensetzung des neuen Parlaments unmittelbar Einfluss haben können. Dieser Einfluss folgt aus der doppelten Bedeutung jedes einzelnen Stimmzettels bei der Abstimmung über die Landeslisten der Parteien.

Zunächst geht es bei dieser Abstimmung um die Frage welche Partei wie viele Sitze in der kommenden Bürgerschaft erhält und damit über die Mehrheit für den neuen Senat. Dabei sind alle Stimmen gleich wichtig. Nach Auszählung aller auf die Landeslisten der Parteien abgegeben Stimmen steht das zahlenmäßige Ergebnis der Sitzverteilung in der neuen Bürgerschaft fest.

Was nicht feststeht ist die Frage welche Personen für die Parteien in die Bürgerschaft einziehen. Bei dieser Frage gibt es dramatische Unterschiede bei der Wichtigkeit der abgegebenen Stimmen. Grundsätzlich gilt dabei: Wer seine fünf Stimmen auf die ersten 5-10 Personen der jeweiligen Landesliste verteilt, verzichtet auf jegliche Einflussmöglichkeit und überlässt anderen Wählern diese wichtige Entscheidung. Denn die Kandidaten auf den ersten Listenplätzen werden ohnehin gewählt. Entscheidend für die personelle Zusammensetzung der neuen Bürgerschaft ist aber welche Personen auf den danach folgenden Plätzen die meisten Stimmen auf sich vereinen können. Bereits 2011 haben dabei wenige Hundert Wähler ausgereicht um einen Bürgerschaftssitz zu erringen. Es gibt also für keinen Wähler und keine Wählerin eine Ausrede. Wer überlegt abstimmt und strategisch entscheidet kann in bisher nicht möglicher und auch nicht erkennbarer Weise über die einzelnen Mitglieder der Bürgerschaft wesentlich mitentscheiden.

Aufgrund dieser eigenen bisher ungewohnten Entscheidungsmacht kommt es für jeden Wähler und jede Wählerin genau darauf an zu bestimmen welche persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten der ausgewählte Kandidat oder Kandidatin haben muss, um die Aufgabe eines Parlamentariers für Hamburg zu erfüllen.

Aus meiner Sicht muss ein Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft 3 zentrale Eigenschaften besitzen, nämlich Verantwortungsgefühl, Leidenschaft und Augenmaß.

Das Gefühl der Verantwortung gegenüber der selbstgewählten Aufgabe eines Parlamentariers verlangt die Bereitschaft sein eigenes Handeln ständig zu überprüfen sowie Erfolg und Misserfolg der getroffenen Entscheidungen am Ergebnis und nicht an einer vorgefertigten Position messen zu lassen. Zunächst gehört dazu die Erkenntnis dass jeder gesellschaftliche Fortschritt nur mit der Bereitschaft Fehler zu machen entstehen kann. Die Bereitschaft eines politisch Verantwortlichen aktiv zu handeln und dabei auch Fehler machen zu können steht am Anfang. Wichtig ist aber genauso die Fähigkeit die Fehler auch öffentlich anzuerkennen und aus ihnen zu lernen. Ein Politiker der behauptet keine Fehler zu machen ist zu allererst eitel, besserwisserisch und unbeweglich, ihm fehlt letztlich eine entscheidende Voraussetzung um für uns alle Verantwortung zu übernehmen. Die Angst das eigene Gesicht gegenüber der Öffentlichkeit zu verlieren beherrscht das eigene Handeln und lähmt damit jede bessere Erkenntnis und im Ergebnis jeden Fortschritt.

Weiterhin muss ein Parlamentsmitglied die Leidenschaft besitzen seine Auffassungen in der politischen Debatte in freier Rede vorzutragen. Eine parlamentarische Debatte stellt ein sinnentleertes Ritual dar, wenn ein Redner lediglich den von Dritten ihm unterstellten Schreibern vorbereiteten Text vorliest. Tun das viele Mitglieder der Bürgerschaft ähnelt die Debatte einem sakralen Hochamt oder einer diskursfreien öffentlichen Proklamation. Die allein angemessene demokratische Debattenkultur entsteht nur indem die gewählten Volksvertreter ihre Ideen und Meinungen in freier Rede zuspitzen. In einer spontanen und direkten Reaktion auf die Vorredner, auf die aktuelle Stimmung in der Debatte müssen die Argumente auf den Punkt gebracht werden und dem damit verbundenen öffentlichen Druck standhalten. Kein Parlamentarier darf sich hinter einem perfekt vorbreiteten Wust von Papier verstecken. Nur wer die Kunst der freien Rede beherrscht sollte zum Mitglied der Bürgerschaft gewählt werden.

Schließlich verlangt eine erfolgreiche Parlamentsarbeit die zentrale Eigenschaft eines natürlichen Augenmaßes. Dabei geht es um zwei Aspekte. Zum einen die Fähigkeit die Forderungen und Interessen der eigenen Wähler mit der Aufgabe einer Tätigkeit im Auftrag der ganzen Bevölkerung zu verbinden. Das ist kein Widerspruch sondern der ständig notwendige Ausgleich zwischen dem Auftrag zugunsten des Gemeinwohls und der berechtigten Interessenwahrnehmung für die eigenen Wähler. Je nach Gewicht der einzelnen Belange hat der Abgeordnete im Rahmen seiner einzelnen Entscheidungen das Recht und die Verpflichtung zwischen diesen Aufgaben seine Wahl zutreffen. Für diese Entscheidung muss er sich auch öffentlich rechtfertigen. Deshalb besteht der zweite Aspekt darin gegenüber den eigenen Wählern und der kritischen Öffentlichkeit die jeweils getroffene Entscheidung auch überzeugend und nachvollziehbar zu begründen.

Jeder Wähler und jede Wählerin muss allein entscheiden wem sie diese Aufgabe am ehesten zutraut und dann ihre Stimme bewusst abgeben.