Kein Spiel mit dem Wahlrecht

Das Volk entscheidet

Die große Reform des Hamburger Wahlrechts, die es jedem wahlberechtigtem Bürger ermöglicht seine Stimmkraft weitaus eigenständiger auf die Kandidaten seiner Wahl zu verteilen, führt wieder einmal zu einer kontroversen Diskussion. In der Kritik steht vor allem die vermeintlich zu große Komplexität des Wahlvorgangs, der bei vielen Bürgern zu einer Überforderung führen soll. An der sinkenden Wahlbeteiligung mit einem historischen Tief im Jahr 2008 von 57% soll dieses Phänomen ablesbar sein. Daher werden die Rufe nach einer Reform dieses Wahlrechtes laut.

Auffällig ist bisher, dass besonders in den sozial schwachen Stadtteilen die Wahlbeteiligung weiter gesunken ist, während die einkommensstarken Stadtteile ihre Einflussmöglichkeiten weit mehr ausschöpfen. Wie weit diese deutliche Diskrepanz allein oder jedenfalls wesentlich auf das komplizierte Wahlrecht zurückzuführen ist, kann aus meiner Sicht nur vermutet werden. Aus Respekt vor dem eindeutig geäußerten Willen der Bevölkerung bei der Einführung des neuen Wahlrechts sollte allerdings das grundsätzliche Konzept dieses Wahlrechts nicht in Frage gestellt werden.

Im Vergleich zu dem früheren System ist es nun möglich sich auch zwischen den einzelnen Kandidaten einer Partei zu entscheiden. Früher hatte allein die einzelne Partei das Recht und die Aufgaben richtigen Kandidaten auszuwählen. Allerdings haben die Parteien versucht auch im neuen Wahlrecht ihren Einfluss auf die Kandidatenauswahl zu erhalten, indem sie den weiter hinten auf der Wahlliste positionierten Personen die Eigenwerbung untersagten. Gerade dadurch ist der Bürger jedoch von der großen Menge an Kandidaten überfordert, denn auf Grund dieses Verbotes sind ihm die meisten der Kandidaten unbekannt. Zwar ist auch das Interesse der Parteien verständlich einen bestimmten festen Kreis an Abgeordneten im Parlament sitzen zu haben um auch zuverlässig jedes Ressort mit Experten zu besetzen, dieses Anliegen kann jedoch nicht zulasten der allgemeinen Demokratieakzeptanz und entgegen der Ziele der Wahlrechtsreform gehen. Daher sollte es allen Kandidaten, die auf der Liste einer Partei stehen, erlaubt werden in bestimmtem Maße auch für die eigene Person Werbung zu machen. Gerade mit den neuen Medien ist jedem der Zugang auch deutlich vereinfacht worden. Um das allgemeine Problem der zu niedrigen Wahlbeteiligung zu begegnen, sollte man vor allem den immer stärker wachsenden Anteil von Briefwählern weiter fördern. In anderen Bundesländern ist es bereits gängige Praxis, dass es den Bürgern bereits ab der Zusendung der Wahlunterlagen möglich ist an mehreren Stellen unkompliziert seine Stimme, auch nur mit der Vorlage seines Personalausweises, abzugeben. Auch in Hamburg muss das Angebot weiter steigen, damit auch die jungen Wähler weiterhin zum Wählen angehalten werden.

Aus meiner Sicht berühren die vorgeschlagenen Reformen des bestehenden Wahlrechts den Kernbestand der direkten Volksbeteiligung und damit der Demokratie. Als zukünftiger Abgeordneter der Bürgerschaft könnte ich einer Änderung im parlamentarischen Verfahren nur unter zwei Voraussetzungen zustimmen. Entweder die meisten ernstzunehmenden Parteien und die Vertreter der Volksinitiative „mehr Demokratie“ stimmen den Reformen vorher zu. Oder der Bevölkerung wird der Reformvorschlag zur Abstimmung vorgelegt und die Mehrheit der Abstimmenden akzeptiert die Reformen. Ich gehe mit dieser Zusicherung über die Absicherung der Volksinitiative in Art 50 Abs 4 HV ( Hamburgische Verfassung) hinaus. Eine Änderung des Wahlrechts ohne Zustimmung der Bevölkerung wird es mit mir nicht geben.